Mittelbayerische Zeitung

Damit der Geist nicht in Rente geht

Rund 53.000 Senioren sind in diesem Wintersemester an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Manche erfüllen sich damit einen Jugendtraum.

Regensburg. Am Mast des kleinen Schiffes klettert eine reich mit Trauben behangene Weinrebe empor. Der einzige Passagier ist ein Mann, der mit halb aufgerichtetem Oberkörper in dem Boot liegt, das von einem halben Dutzend Delfinen umschwärmt wird. Abgebildet ist diese Szene auf einer antiken Schale, schwarzfigurig auf korallenrotem Untergrund. „Was ist es, wo steht es, wie ist es zu datieren und wieso sollten Sie es kennen?“, fragt Dr. Birgit Bergmann ihre Studenten.

In der ersten Reihe meldet sich Maren Kipke-Pregitzer: „Das ist die Schale des Exekias“, sagt sie. „Dargestellt ist Dionysos.“ Die Frau mit den kurzen braunen Haaren studiert an der Universität Regensburg Vor- und Frühgeschichte – mit 65 Jahren. „Ich erfülle mir meinen Jugendtraum“, sagt sie.

Geisteswissenschaften sind beliebt

Maren Kipke-Pregitzer ist eine von rund 53.000 Senioren, die im Wintersemester 2012/2013 an den Hochschulen in Deutschland studieren. „Die Zahlen entwickeln sich nach oben, und dies wird auch so bleiben“, sagt Jochen Schneider vom Akademischen Verein der Senioren in Deutschland (AVDS) mit Sitz in Würzburg. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten: Manche Universitäten bieten ein spezielles Senioren- oder ein Zertifikatsstudium an. Anderswo besuchen Senioren als Gasthörer einzelne Lehrveranstaltungen. Wer die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, kann sich auch für ein reguläres Studium einschreiben und einen Abschluss anstreben.

So wie Maren Kipke-Pregitzer. Als Zwölfjährige las sie das Buch „Götter, Gräber und Gelehrte“ und war seither von der Archäologie fasziniert. Ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen, kam für sie damals aber nicht in Frage: „Das ernährt nicht die Frau“, sagt sie. Also studierte sie Mathematik und Physik auf Lehramt und unterrichtete fast 40 Jahre lang an einem Gymnasium. Mit 62 Jahren ging sie in Altersteilzeit – und schrieb sich an der Uni Regensburg ein. 2011 machte sie ihren Bachelor in Vor- und Frühgeschichte, nun ist sie im Masterstudium.

Geschichte, Kunstgeschichte, Archäologie, Philosophie, Theologie und Germanistik – das sind die bei Seniorenstudenten beliebtesten Fächer, sagt Jochen Schneider. „Die Leute gehen ihren Interessen nach oder holen einen verpassten Lebensabschnitt nach.“ Vor allem bei Frauen hätte nach dem Krieg ein Universitätsbesuch im Leben oft keinen Platz gehabt, so Schneider. An der Uni Regensburg gibt es derzeit 18 Gasthörer über 65 – fast alle in Geschichte oder Philosophie. Außer Maren Kipke-Pregitzer sind zudem fünf Senioren für ein Bachelor-, Master- oder Promotionsstudium eingeschrieben. Auch an der Universität Erlangen-Nürnberg sind die Geisteswissenschaften am populärsten. 21 Über-60-Jährige streben hier derzeit einen Abschluss an, die älteste Studentin ist 84 Jahre alt.
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One Response to Mittelbayerische Zeitung

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,

    ich bin 63 Jahre alt und würde gerne ab 2017 ein Seniorenstudium in Kunst- und/oder Kunstgeschichte in Würzburg absolvieren.
    Ist das grundsätzlich in Würzburg möglich, welche Voraussetzungen muss ich mitbringen und mit welchen Kosten muss ich rechnen?

    Mit freundlichen Grüßen
    Alfons Berse

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