Mitteldeutsche Zeitung

Zuhören oder Referate halten: Studienmöglichkeiten für Senioren

VON CARINA FREY
DARMSTADT/DPA. Friedrich Wiesener studierte in jungen Jahren Ingenieurwissenschaften. Interessiert hat er sich aber schon immer für Geschichte. «Als ich in Ruhestand gegangen bin, habe ich gedacht, das gehe ich jetzt an», erzählt der Darmstädter.

Seitdem besucht er als Seniorenstudent Vorlesungen in Geschichte, Politischer Wissenschaft und Theologie. Die Zahl der Seniorenstudenten nimmt zu, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Während 1995/96 lediglich 14 436 Gasthörer im Alter über 50 Jahren in Hörsälen saßen, stieg die Zahl zehn Jahre später auf 22 146. Die größte Gruppe stellten dabei die 65- bis 70-Jährigen. Daneben gibt es auch noch etliche Ältere, die als reguläre Studenten eingeschrieben sind. «Noch einmal rund 4100», sagt Bernd Schmitt vom Akademischen Verein der Senioren in Deutschland (AVDS) in Würzburg.

Rund ein Drittel der Hochschulen haben spezielle Studiengänge für Senioren. Die Universitäten in Frankfurt/Main und Göttingen beispielsweise nennen ihr Angebot U3L beziehungsweise UDL, abgekürzt für «Universität des Dritten Lebensalters». Die Seminare richten sich ausschließlich an Seniorenstudenten. Diese Studienform hat Vor- und Nachteile.

«Manche haben weniger Berührungsängste, wenn sie nur mit Älteren zusammen sind», erklärt Eva Willms von der UDL in Göttingen. Außerdem können die Teilnehmer in den Seminaren, Projekt- und Arbeitsgruppen aktiv mitarbeiten. Dafür ist das Angebot meist begrenzt: Die UDL in Göttingen konzentriert sich auf die Geisteswissenschaften.

Ganz anders sieht es an der TU Darmstadt aus: Dort können Ältere auch Vorlesungen über Chemie für Maschinenwesen oder Werkstoffkunde hören. An den drei Darmstädter Hochschulen gibt es keine speziellen Angebote für Senioren, sie können sich aber über das sogenannte Seniorenstudium als Gasthörer einschreiben und dann reguläre Vorlesungen der verschiedenen Fachbereiche hören.

Seminare sind dagegen auf eine aktive Mitarbeit ausgelegt und daher in ihrer Teilnehmerzahl beschränkt. Friedrich Wiesener nutzt diese Möglichkeit regelmäßig: «Es kann sein, dass ein Seminar überlaufen ist, dann muss ich gegenüber den regulären Studenten zurücktreten», sagt er. Klappt es mit dem Platz, sind die Seniorenstudenten voll eingebunden. «Ich war zum Beispiel in einem Seminar mit 15 Leuten, darunter waren 5 Senioren. Wir haben feste mitgearbeitet.»

Die Universität Leipzig bietet eine Mischung aus reinem Senioren- und Gasthörerstudium. Die Teilnehmer können Monika Sosna zufolge aus 300 regulären Lehrveranstaltungen wählen, die in einem Sonderheft zusammengestellt werden. «Darüber hinaus gibt es spezielle Angebote für Senioren, etwa Sprachkurse», erklärt die Leiterin der wissenschaftlichen Weiterbildung der Uni Leipzig.

Voraussetzung für ein Senioren- oder Gasthörerstudium sei meist die mittlere Reife, sagt Bernd Schmitt. Das Seniorenstudium in Leipzig oder die UDL in Göttingen stehen jedoch allen Interessierten offen. «Jeder muss selbst entscheiden, ob das was für ihn ist», sagt Eva Willms. Anders sieht es aus, wenn sich Ältere als reguläre Studenten einschreiben möchten. Dann benötigen sie eine Hochschulzugangsberechtigung, also ein (Fach-)Abitur. Wer diese Hürde genommen hat, kann ohne Beschränkung studieren und Prüfungen ablegen.

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